(...) Sie überließ aber denselben seinem Nachdenken und Insichgehen in der stillen Einsamkeit der Haftzelle und suchte in wohlverstandener
und wohlberechneter Auffassung ihres Berufes auf dem Wege der Einwirkung auf Gemüth und Gewissen des Inquisiteli ein freiwilliges Geständniß zu erhalten, ehe sie zu dem umständliche-
ren, nöthigenden Mittel der Ueberweisung schreiten wollte. Sie benutzte hiezu den für den Schuldigen, wenn er’s anders war, tief ergreifenden Moment, da am Morgen des folgenden Sonntags, den 18. Mai, von dem nahen Speicher herüber
die Todtenglocke erschallte, die seinem unglücklichen Opfer zu Grabe rief und die mit ihren Trauerklängen an das Ohr und Gewissen des Mör-
ders schlug. Schläpfer wurde vorberufen. »Hört ihr es dem Zürcher in’s Grab läuten? Was sagt euch euer Gewissen?« »Ich bin schuldig. Ich bin der Thäter. Das Läuten hat mich so ergriffen,
daß ein Schauer sich meiner bemächtigt hat; ich will das Bekenntniß ablegen.« (...)
Ein Raubmord und ein Raubmörder
Appenzeller Zeitung Nr. 155
5. Juli 1862